Flottbek-Othmarschen einst und jetzt

 

Aus: Flottbek Othmarschen einst und jetzt

In seiner kleinen Plauderei wußte Dirks Paulun sich zu erinnern: "Ins alte Othmarschen mit seinen Teichen und der tausendjährigen Eibe zog es mich auch später immer wieder durch die Anlagen, Straßen und Twieten und den idyllischen Hirtenweg.“ 

Vor dem ersten Weltkrieg galt die legendäre "tausendjährige" Eibe als besonderes Wahrzeichen Othmarschens, und einige heimatstolze Einwohner wollten sie sogar zweitausend Jahre alt wissen. Sie steht immer noch im nördlichen Teil des Geländes, das "Herr" Isaac Schott im Jahre 1790 dem Bauern Johann Röper abkaufte, um im Dorf den ersten "Herrenhof“ zu errichten. Wie viele andere fremdländische Bäume wurde vermutlich damals auch die Eibe gepflanzt. Noch die Elbuferkarte zeigt ein Gartengelände mit einem Landhaus. Etwa an der gleichen Stelle entstand dann die "Rosenburg", ein vielbesuchtes Ausflugslokal, nachdem die Hamburger Pferdebahn hier ihre westliche Endstation "Am Teich" erhielt. 

Von dort konnte man auf den alten Teich blicken, der nun auch ein Anziehungspunkt für die Ausflügler aus AItona war. Gerne genossen die Städter den Blick auf die Oase der Ruhe im idyllischen grünen Winkel. Im Sommer belebten schnatternde Enten das friedliche Bild, im Winter diente er den Othmarscher Jungen als Eisbahn. Aber auch Ottenser Schüler kamen hierher, wenn es ab und zu ein kleines "Platzkonzert" gab. Daran erinnerte sich Walther Oskar Krüger gern, und nach seiner Meinung war der Teich viel größer, denn er schreibt: "Als wir um die Jahrhundertwende über die Eisdecke des Teiches unsere kreischenden Kurven zogen, hatte die Oberfläche eine weitere Ausdehnung als heute, und in Vorzeiten muß das Ostufer noch erheblich zurückgelegen haben." Wenn der Teich als Eisbahn diente, konnte das Gitter, das den Teich schützte, abgesperrt werden, und dort wurde dann ein Eintrittsgeld für die Benutzung der Eisfläche erhoben. 

Ausschnitt Elbuferkarte, Lithographie von Ch. Fuchs, um 1850

 

Das Ende des alten Othmarschen 


Bis zum Bau der Bundesautobahn und des Elbtunnels blieb hier fast alles beim Alten, wenn auch schon einige Male durch „fortschrittliche“ Verkehrsplanungen die Gefahr drohte, daß der alte Charakter der Landschaft zerstört wurde. Radikale amtliche Straßenbauer beriefen sich gerne auf den Brixschen Bebauungsplan, den aber der Altonaer Magistrat bereits 1910 lächelnd in den Papierkorb geworfen hatte. Dieser Plan sah nämlich vier große durch Othmarschen führende Ausfallstraßen vor. 

Die allergrößte Bedrohung trat ein, als nach 1933 das Projekt der Elbhochbrücke aufkam. Wäre dieses durchgeführt worden, dann hätte die Anlage einer riesigen rillenförmigen doppelten Auffahrt zur hochliegenden Brückenbahn weite Teile Othmarschens öde gelegt. Ein Blick auf die beiderseits der Köhlbrandbrücke liegenden früheren Elbinseln Neuhof, Waltershof und Altenwerder zeigt, was das bedeutet hätte. Daher waren nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges viele erleichtert, daß die Gefahr abgewendet war, und sie dankten wenigstens der "Vorsehung" dafür, daß diese den Brückenbau verhindert und damit die Opferung Othmarschens verzögert hatte. Wer nun wieder wie einst den "Othmarscher Kirchenweg" durchwanderte, seinen sanften Windungen auf humpligem Kopfsteinpflaster folgte, freute sich, je mehr er sich Othmarschen näherte, daß das vertraute Bild erhalten geblieben war und der Blick noch weit nach Norden gehen konnte. Allerdings hatte der Krieg auf dem Röperschen Besitz auch seinen Tribut gefordert. In der Nähe des Arpes‘schen Hauses, das dem Strohdachhaus Röpers gegenüberlag, war in den letzten Kriegstagen eine Bombe heruntergegangen, hatte die alte Kate so erschüttert, daß sie an einem Ende ziemlich zusammensackte und im Laufe der Jahre mehr und mehr zerfiel. 

Die Arpes‘sche Milchwirtschaft im Altenteil der Familie Röper

Wir kennen diese Milchwirtschaft mit Garten bereits durch Otto Ernsts dichterische Verklärung, und Walther Oskar Krüger hat noch einmal begeistert über sie geschrieben, als sie im Jahre 1950 wieder aufgebaut wurde. "Wie gern erinnern wir uns auch noch der Kinderzeit, da wir vor sechzig Jahren an der Hand unserer Mutter, vorbei an den wogenden Kornfeldern, in der Gegend der heutigen Kreuzkirche von weitem bald das Röperhaus erblickten, wohl wissend und frohlockend, daß unser in dem gegenüberliegenden Garten der Milchwirtschaft von Arpe ein zweites Frühstück erwartete." Es war ihm eine Freude zu erleben, wie der Bauherr Röper dieses Haus, dem gewachsenen Bilde des Othmarscher Kirchenweges angepaßt, wiederherstellen und mit einem Reetdach versehen ließ und so Zweckmäßigkeit mit der Ehrfurcht vor dem Alten zu verbinden wußte. 

Niemand ahnte damals, daß dieses Haus als erstes der Spitzhacke zum Opfer fiel, als der erbarmungslose Untergang der bis dahin noch so ursprünglichen Natur am Nordrand Othmarschens begann. Zwar konnte man schon länger beobachten, wie auch in den Elbgemeinden die Landschaft einen grundlegenden Wandel durchmachte. Dabei drängte sich ein beklemmendes Gefühl auf, und es erfüllte manchen mit Wehmut, wenn er erlebte, wie die neuzeitlichen Siedlungen die Dorfkerne der alten Gemeinden einengten. Das schien anfangs glücklicherweise nur die weitere Umgebung zu treffen. Um so schrecklicher war das Erwachen, als erst später erkannt wurde, wie die Steigerung des Großstadtverkehrs sich verheerend auf Othmarschen auswirkte. 

Wer das alte Othmarschen nicht gekannt hat, kann es sich nicht mehr vorstellen, wie die Landschaft nördlich des Dorfes vor einem Jahrzehnt aussah. Bei einem Weg vom Christianeum durch den Holmbrook in Richtung des alten Dorfes konnte man noch vereinzelt die stillen Redder mit ihren Gräben und Knicks aus Hasel- und Weißdornsträuchern sehen, und wer etwas vom Wege abbog, traf noch auf einen der alten stillen Wassertümpel, wenn auch die grasreichen, saftigen Weiden mit den kleinen Rinnsalen schon mehr und mehr verschwunden waren. 

 

Auszug aus: Flottbek Othmarschen einst und jetzt, Herausgeber Bürgerverein Flottbek-Othmarschen e.V., Hamburg