Das Fachhallenhaus

 

Verbreitung des niedersächsischen Fachhallenhauses

 

Das niedersächsische Zweiständerhaus oder Fachhallenhaus

Der Röperhof verkörpert den Bautyp des Niedersächsischen Fachhallenhauses in Zweiständer-Bauweise, benannt nach den „Fachen“ oder Gefachen zwischen den Holzständerpaaren und der großen Deele, die auch als Halle bezeichnet wird. Das Fachhallenhaus entstand im ausgehenden Mittelalter und verbreitete sich über eine Länge von fast 1000 Kilometern in einem Gebiet, das grob dem niederdeutschen Sprachraum entspricht: vom Niederrhein bis ins westliche Mecklenburg, von der Eider bis ins nördliche Sauerland. 

 Die Vorzüge dieses Gebäudetyps werden bei Konrad Bedal (*) anschaulich beschrieben: Während ältere bäuerliche Hofanlagen aus vielen kleinen Gebäuden mit spezieller Nutzung bestehen, birgt das Fachhallenhaus alle Funktionen, wie Stall, Wohnung und Erntelagerung, in einem einzigen großzügigen Gebäude. Wahrscheinlich ist die Entwicklung kriegerischen Umständen zu verdanken. Städte bauten zu ihrem Schutz Stadtmauern und viele Bauern wollten nicht länger auf dem ungeschützten Land wohnen, sondern beanspruchten einen Bauplatz im sicheren Stadtgebiet. Durch das geringe Platzangebot innerhalb der Stadtmauern musste ein Gebäudetyp entwickelt werden, der allen Bedürfnissen auf einem relativ kleinen Baugrundstück gerecht werden konnte.

Konrad Bedal weist nach, dass eine neue Zimmermannstechnik die Grundlage dafür schuf: Früher wurden die Deckenbalken an den Enden beidseitig abgebeilt und von oben in einen Schlitz am oberen Ende der Ständer eingelegt („eingehalst“). Damit wurden die Balken äußerst geschwächt, so dass der entstehende Dachboden nicht wirklich belastet werden konnte. Im Zweiständerhaus liegt auf den Ständern ein Rähm in Längsrichtung des Hauses, quer dazu werden die Deckenbalken über Rähm und Ständer gelegt und „verkämmt“. Dies ist eine Holzverbindungsart, die Balken und Rähm nicht schwächt. Das Besondere beim zweiständigen Niedersachsenhaus ist zusätzlich, dass die Deckenbalken über das Rähm auskragen und die Sparren am Ende der Auskragungen in den Deckenbalken eingezapft sind. Das Gewicht des gesamten Daches drückt auf die überhängenden Balkenenden. Damit entsteht eine gewisse Vorspannung der Deckenbalken, die zu einer enormen Belastbarkeit des Dachbodenraumes führt. Jetzt konnte die gesamte Ernte im Dachboden gelagert werden. Ein zusätzlicher Kornspeicher oder eine Scheune waren nicht mehr zwingend notwendig.

 

Querschnitt durch den Röperhof Ständer, Rähm, Deckenbalken und Sparren bilden das statische Gerüst

Der Röperhof hat 10 „Gefache“ (also 11 Sparrenpaare) im Langhaus und eine Gesamtlänge von über 36 Metern. Damit gehört er zu den größten Zweiständerbauten, die je als private Bauernhäuser gebaut wurden. Das Fachwerk und die Deckenbalken im Erdgeschoss des Querhauses sind in Eichenholz hergestellt worden, das Langhaus wurde jedoch komplett in Lärchenholz abgezimmert. Dies ist vielleicht ein Hinweis darauf, dass die Stuben den Brand von 1759 überstanden haben. Es wurden hier andere tief liegende Farbschichten gefunden als im Flett, und in der „guten Stube“ sowie in der Hochstube finden sich Fensterprofile, die sich deutlich von allen anderen Sprossenfenstern im Haus unterscheiden.

Auf einige Besonderheiten des Röperhofs sei im Folgenden hingewiesen: Während der Achsabstand zwischen den Sparrenpaaren in der Regel 2,5 Meter maß, haben wir am Röperhof 2,9 Meter zu verzeichnen. Das ganze Haus macht einen großzügigen Eindruck. Die üblichen drei Stuben (Kammerfach) sind nicht im letzten Fach, sondern in einem angesetzten Querhaus untergebracht und können deshalb 6 Meter tief sein. Die ungewöhnliche Deckenhöhe und Größe der Stuben (zusammen mehr als 80 qm) machen die heutige Nutzung als Restaurant überhaupt erst möglich. Das Gebäude präsentiert nicht, wie meist üblich, seinen Wirtschaftsgiebel zur Straße, sondern es liegt die „gute Stube“ genau am Knickpunkt des Agathe-Lasch-Wegs. Das Querhaus ist etwas länger als das Langhaus breit, ein Fenster im Vorsprung erlaubt den Blick die Straße herunter und symbolisiert dadurch die Weltoffenheit und das Interesse der Bewohner am öffentlichen Leben. Es ist davon auszugehen, dass die Nähe zur Stadt Altona – also zu Handel und Kultur – den Reichtum und die Großzügigkeit des Röperhofs beeinflusst hat und letztlich die heutige Nutzung ermöglicht.

 

Rekonstruierter Grundriss aus dem Buch „Die Bau- und Kunstdenkmale der Freien und Hansestadt Hamburg“, Band: Altona Elbvororte

Das Fachhallenhaus ist für Geest- und Marschböden gleichermaßen geeignet, dort ehemals konkurrenzlos verbreitet und sogar in moorigen Landschaften vertreten. Die Ständer lagern auf Natursteinfundamenten und tragen fast die gesamte Gebäudelast. Die recht niedrigen Außenmauern der Längsseiten tragen nur zwei bis drei Quadratmeter Stroh- oder Reetdach je Meter Mauerwerk: Über einen so genannten „Aufschiebling“ wurde der mächtige Sparren, der am Deckenbalken endet, bis zur Außenmauer verlängert. Viel mehr konnten die meist fundamentlosen Mauern auf schlechten Böden gar nicht tragen. Es gibt Fälle, beispielsweise in einem denkmalgeschützen, aber dennoch jüngst abgerissenen Bauernhaus am Moorburger Elbdeich, in denen die Gebäude verbreitert wurden. Das Vieh wurde durch die Zucht immer größer und hatte in den alten Kübbungen kaum noch Platz. In Moorburg wurden die Wände einfach um etwa einen Meter nach außen versetzt, der Aufschiebling verlängert und die Dachneigung in diesem unteren Bereich verringert. So mussten die Mauern bis zu 5 qm Dachfläche pro Meter tragen. In Moorburg, auf schlechtem Untergrund, endete dies mit dem Absinken und der teilweisen Zerstörung der Wände.

Am Röperhof hat man das gleiche Problem mit dem größer gewordenen Vieh anders gelöst: Die Tierboxen wurden zur Raummitte hin vergrößert, so dass die Deele schmaler wurde. Dies ist sehr schön im rekonstruierten Grundriss ablesbar.

 

Blick von der Deele ins Flett ohne eine Trennwand (Haus Wendell in Beringstedt, aufgenommen 1914, Otto Lehmann)

Der Röperhof ist ein Flett-Deelenhaus.  Die Deele bildete sich ursprünglich aus dem Raum zwischen den beiden tragenden Holzständerreihen. In der Deele, Arbeitsbereich des Bauern, wurde das Viehfutter bereitet und in die Futtertröge befördert. In Winterzeiten wurde hier das Korn gedroschen, im Sommer fuhren die Erntewagen ein und die Korngarben und das Heu wurden durch Luken in der Decke per Heugabel auf den Dachboden geworfen. Im hinteren Hausbereich, am Ende der Deele, liegt das Flett, ehemals Arbeitsbereich der Bäuerin. Es diente als offene Wohnküche, die die gesamte Hausbreite einnahm. Dass die heutige Wand zwischen Deele und Flett im Röperhof aus Holz und nicht gemauert ist, deutet darauf hin, dass sie nachträglich erstellt worden ist. Das war bauhistorisch auch die Norm, denn ursprünglich befand sich in der Mitte des Fußbodens im Flett eine etwa 1,5 qm große, offene und mit mit Feldsteinen eingefasste Feuerstelle. Zur Deele hin gab es keine Wand sondern häufig nur ein Gatter, um die frei in der Deele herumlaufenden Hoftiere, wie Schafe und Hühner, aus dem Flett fern zu halten. Auf dem Feuer wurde gekocht und es heizte die Räume, daher wurde es ständig in Gang gehalten. Ein hoher Kochkessel hing am Kesselhaken über dem Feuer. Viele Arten des Garens waren unter diesen Bedingungen nicht möglich. Zum Brotbacken gab es ein eigenes Backhaus, das etwa dort stand, wo heute die Kehre am Agathe-Lasch-Weg ist. 

Generalisierter Grundriss eines Flett-Deelenhauses mit der offenen Feuerstelle im Flett

Der im Flett entstehende Rauch zog durch das ganze Haus und verhinderte, dass sich der Stallgeruch in den Wohnräumen ausbreiten konnte. Außerdem zog er durch die Ritzen zum Dachboden hinauf, konservierte dort das gelagerte Korn und vertrieb die Mäuse. Gleichzeitig trocknete die sich ausbreitende Wärme des Feuers die feuchte Stallluft.

 Katzen lieben bekanntlich die Wärme des Feuers und so passierte es leider nicht selten, dass sie sich zu dicht ans Feuer legten, in Brand gerieten, in Panik ins Stroh liefen und das Haus ansteckten. Daher wurde es eines Tages Pflicht, die Häuser mit Schornsteinen auszustatten und Öfen und Herde daran anzuschließen. Im Röperhof wurde damals der große Wandherd im Flett gebaut. 

 Weil nun der Rauch durch den Schornstein abzog, hielten es die Bewohner vor Stallgeruch in den Wohnräumen nicht mehr aus. Also wurde eine Holzwand zwischen Flett und Deele eingebaut, was nicht nur Vorteile hatte: Die Stallluft blieb feucht und zersetzte langsam alle Holzbauteile in den Stallungen. Als wir in den achtziger Jahren mit der Sanierung des Röperhofs begannen, mussten viele Holzteile ausgetauscht werden, die durch Fäulnis vollkommen zerstört waren. 

 

Der einzige Kellerraum des Röperhofs liegt unter der mittleren Kammer, der Schlafstube des Bauern. Vermutlich ist er nachträglich eingebaut worden. In ihm wurden die Kartoffeln gelagert, deren Anbau erst Mitte des 18. Jahrhunderts von Friedrich dem Großen propagiert wurde. Sie waren so kostbar, dass sie unter der Schlafstube, also quasi unter dem Bett des Bauern gelagert wurden.

 

Hölzerne Trennwand im Röperhof, vom Flett aus gesehen

 

Christoph Mühlhans, August 2009

 

  • Literaturhinweis: 

Konrad Bedal

Ländliche Ständerbauten des 15. bis 17. Jahrhunderts in Holstein und im südlichen Schleswig, 

Wachtholtz/Neumünster 2001